Beim Wandern ist ja der Weg das Ziel, sagt man. Für den Wanderer ist es in der Tat wichtiger, einen schönen, interessanten oder anspruchsvollen Weg zu gehen, als ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Auch bei manchen Fotografen scheint der Weg wichtiger zu sein, als das Ergebnis, das fertige Bild also. Wenn alle den digitalen Weg gehen, dann nimmt man selbst halt den analogen Weg. Wenn sich alle das Fotoleben leicht machen, dann geht man selbst den umständlichen Weg.
Hauptsache der Weg ist steinig
Viele Fotografen meinen, ein Foto habe einen höheren Wert, wenn es unter großen Mühen entstanden ist. Nicht einfach „geknippst“, sondern einarmig an der Klippe hängend und mit dem kleinen Zeh am linken Fuß den Auslöser betätigt, das ist der Garant für Spitzenfotos. Oder, wieder sehr aktuell, es muss das chemisch erzeugte Bild auf Silberfilm und Fotopapier sein, damit es einen wirklichen Wert hat. Unter Naturfotografen scheint es wichtig zu sein, die Aufnahmen bei arktischer Kälte und bis zum Bauch im reißenden Gebirgsbach stehend gemacht zu haben. Und dann gibt es natürlich noch diejenigen Fotografen, für die ein Bild nur dann sehenswert ist, wenn es mit der richtigen Kamera aufgenommen wurde.
Auf keinen Fall kann es sein, dass ein Foto einfach nur ein gutes Foto ist. Es muss schon auf die richtige Art und Weise entstanden sein, sonst ist es wertlos.
Ein Foto ist ein Foto ist ein Foto
Dumm nur, dass man dem Foto nicht ansieht, dass es einarmig an der Klippe hängend aufgenommen wurde. Oder bis zum Bauch im Bach stehend. Oder mit einer Leica (oder Hasselblad, Nikon, Canon, Sony…). Und warum sollte es den Betrachter auch interessieren?
Wenn ich mir Fotos anschaue, geht es mir um das Bild an sich. Spricht es mich an oder lässt es mich kalt? Erzählt es eine Geschichte? Zeigt es mir eine Ansicht der Welt, die ich möglicherweise noch nicht kenne? Oder ist es vielleicht einfach nur schön und ansprechend? Das sind die Dinge, die mich interessieren. Ob es digital oder auf Film aufgenommen wurde, ist mir völlig egal. Ob der Fotograf stundenlang durch die Wildnis laufen musste oder ob er die Aufnahme vom Straßenrand aus gemacht hat, ist mir völlig egal. Ob das Foto aus einer Spiegelreflexkamera oder einem Handy stammt, ist mir so was von völlig egal. Genau betrachtet ist mir sogar egal, mit welcher Blende und Belichtungszeit ein Foto aufgenommen wurde.
Das Ergebnis zählt
Wer gerne Silberfilm und Hydrochinon benutzt, soll das tun. Wer seine Bilder gerne am Computer bearbeitet, soll das tun. Wer gerne eine schwere Ausrüstung über die Berge schleppt und bis zum Bauch im Wasser steht, soll auch das tun. Aber niemand sollte glauben, dass ein gutes Bild ensteht, nur weil man den rechten Weg beschreitet.
Für mich steht immer das Bild im Vordergrund. Der Weg dorthin ist mir egal. Und wenn mir der Weg mal nicht egal ist, dann ziehe ich die Wanderstiefel an und lasse die Kamera zu Hause!
Wie immer freue ich mich über Eure Meinungen und Kommentare.
Grundsätzlich bin ich Deiner Meinung, auch wenn ich auf ein Bild besonders stolz bin, wenn die Rahmenbedingungen zur Entstehung inkl. Nachbearbeitung schwierig waren. Vielleicht muss man den Entstehungsaufwand auch in Relation zur Wiederholbarkeit – um nicht zu sagen Beliebigkeit – eines Fotos setzen. Fotos unter den genannten Umständen könnten ein Foto einzigartig oder nur schwer reproduzierbar machen. Was wiederum den Wert des Fotos steigern könnte…?
Hallo Axel,
da ist was dran. Die Umstände, unter denen ein Foto entstanden ist, können den emotionalen Wert eines Fotos für die Fotografin, den Fotografen sicherlich erhöhen. Aber als außenstehendem Betrachter sind mir die Umstände nicht bekannt. Und ich erlebe es immer wieder, dass Fotos, die aus meiner Sicht, sagen wir mal, Verbesserungspotential haben, mit den schwierigen Umständen entschuldigt werden: „Das ging nicht anders, weil [ … ]“. Und damit habe ich ein kleines Problem.
Problem gefunden: (Und warum mein Avatar bei Deinem Kommentar erscheint, weiß ich noch nicht. Da muss ich WordPress wohl mal auf den Zahn fühlen …. )