Wer das Rohdatenformat seiner Kamera nutzt, tut das in dem Bewusstsein, dass die Bilder bearbeitet werden müssen. Denn Rohdaten sind ja bekanntlich keine fertigen Fotos. Aber wie soll man die Bilder bearbeiten? Schließlich gibt es gefühlte 1000 Möglichkeiten.

Es gibt keine Rezepte

In unseren Bildbearbeitungskursen werden wir immer wieder gefragt „Wie muss man denn ein Bild bearbeiten?“. Am liebsten möchten die Leute dann Rezepte haben. Wie beim Backen: Man nehme 10% Regler 1, 30% Regler 2 und 5% Regler 3… Aber diese Rezepte gibt es leider nicht. Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute Nachricht: Die meisten Fotos benötigen nur eine eher dezente Bearbeitung. Im Durchschnitt dauert die Bearbeitung eines unserer Bilder deshalb auch keine zwei Minuten. Das Foto des Lachssteaks wurde in Lightroom mit den folgenden Parametern bearbeitet:

Screenshot Lightroom

Insgesamt wurde also nur an 5 Reglern „gedreht“. Der S-Schlag in der Gradationskurve ist fast schon der aufwändigste Teil der Bearbeitung. Geschätzte 70 Prozent unserer Fotos benötigen nicht mehr Bearbeitung. Bei einigen wird zusätzlich noch der automatische Weißabgleich der Kamera korrigiert und bei eher wenigen kommt noch eine leichte Korrektur der Belichtung dazu. Alle Rohdaten benötigen eine dezente Schärfung. Das erledigen wir aber über ein Lightroom Preset, das direkt beim Import der Bilder zugewiesen wird, also keinen zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Das sieht einfach aus. Das eigentliche Problem ist auch nicht die Anzahl der Regler, sondern die Frage, wie weit man bei der Bearbeitung gehen sollte. Diese Frage lässt sich nun leider nicht pauschal beantworten.

Was ist das Ziel der Bearbeitung?

In den weitaus meisten Fällen soll ein Foto nur technisch optimiert werden. Das bedeutet

  • keine ausgefressenen Lichter
  • keine zugelaufenen Schatten
  • kein Farbstich
  • ausgewogene Tonwertverteilung

Für die Optimierung der Lichter und Schatten ergeben sich die notwendigen Werte aus dem Histogramm. Etwas subjektiver ist die Beurteilung der Farben. Hier kommt zwangsläufig der persönliche Geschmack ins Spiel. Das gilt auch für die Tonwertverteilung, die man über die Gradationskurven gezielt beeinflussen kann. Bei diesen Einstellungen muss man sich auf sein Gefühl und einen hoffentlich kalibrierten Monitor verlassen.

Ein wesentliches Ziel der Bildbearbeitung ist mit den Punkten oben aber noch nicht notwendigerweise erreicht. Normalerweise wollen wir, dass unsere Fotos so aussehen, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen (wir lassen hier künstlerische Aspekte einfach mal außer acht). Nun ist unsere Wahrnehmung aber alles andere als objektiv. Selbst wenn wir uns nur auf die Wahrnehmung von Helligkeit und Kontrast beschränken, werden wir häufig feststellen, dass der Sensor einer Kamera diese Parameter ganz anders darstellt, als unser Auge/Gehirn. Das folgende Bildbeispiel soll das verdeutlichen.

Hoher Kontrast 1

An einem sonnigen Tag ist der Kontrast zwischen den in der Sonne liegenden Fassaden und den Schattenpartien so groß, dass der Sensor an seine Grenzen stößt. Unser Auge verkraftet diese Kontraste in Zusammenarbeit mit dem Gehirn völlig problemlos. Die sehr dunklen Schatten in dem Foto nehmen wir vor Ort so nicht wahr. Unser Gehirn ist in der Lage, auch in den dunklen Bereichen der Szene alle Details zu sehen. Dieses Bild ist ein Beispiel für die Fälle, wo in der Bildbearbeitung relativ stark eingegriffen werden sollte, damit das Foto unserer Wahrnehmung der Szene entspricht. In diesem Fall bedeutet das insbesondere eine deutliche Aufhellung der Schatten:

Hoher Kontrast 2

So kommt das Bild unserer Wahrnehmung viel näher. Aber in diesem Fall war die Bearbeitung deutlich aufwändiger als bei dem Bild des Lachssteaks.

Man muss also von Fall zu Fall entscheiden, was an Bildbearbeitung notwendig ist. Ein Patentrezept gibt es nicht.