Für viele Teilnehmer an unseren Blitzkursen ist das Blitzen auf den zweiten Verschlussvorhang immer ein großes Thema. Ich habe das nie wirklich verstanden. Aus meiner Sicht gibt es nur wenige Gründe, warum man überhaupt auf den zweiten Vorhang blitzen sollte. Im Normalfall ist man mit dem ersten Vorhang besser bedient.

Zwei Lichtquellen

Beim Blitzen haben wir es ja, außer bei völliger Dunkelheit, mit zwei Lichtquellen zu tun: Das Umgebungslicht und das Blitzlicht. Die Belichtung des Bildes setzt sich also aus zwei Anteilen zusammen. Je nach Zusammensetzung der Anteile (viel Blitzlicht, wenig Umgebungslicht oder wenig Blitzlicht und viel Umgebungslicht) kann das fertige Foto sehr unterschiedlich aussehen. Und da die Belichtung sich aus zwei Anteilen zusammensetzt, kann auch die Belichtung auf den ersten oder zweiten Vorhang einen Unterschied machen. Kann. Muss aber nicht.

Statische Motive

Wenn sich das Motiv nicht bewegt, ist es völlig egal, ob der Blitz sofort nach dem Öffnen des Verschlusses oder kurz vor dem Schließen erfolgt. Das Ergebnis ist absolut identisch.

Bewegte Motive und kurze Belichtungszeiten

Bei kurzen Belichtungszeiten, sagen wir mal kürzer als 1/30 Sekunde macht es ebenfalls keinen wirklichen Unterschied, ob der Blitz unmittelbar nach dem Öffnen des Verschlusses oder unmittelbar vor dem Schließen ausgelöst wird. Im Ergebnis werden sich die Fotos nicht unterscheiden, da sich die meisten Objekte nicht so schnell bewegen, das sie eine nennenswerte Strecke innerhalb des Bildfeldes zurück gelegt haben.

Bewegte Motive und lange Belichtungszeiten

Ah, endlich kommen wir zum Punkt. Bei langen Belichtungszeiten in Kombination mit dem Blitz macht es tatsächlich einen Unterschied, ob man auf den ersten oder zweiten Vorhang blitzt. Bei langen Belichtungszeiten werden ja die Bewegungsspuren bewegter Objekte aufgezeichnet. Ohne Blitz ist das Objekt komplett verwischt. Setzt man zusätzlich einen Blitz ein, dann sorgt der sehr kurze Blitz für eine scharfe Abbildung des Objekts in Kombination mit den Wischspuren infolge der Langzeitbelichtung.

Maskierte Person beim Karneval in Venedig

Im Bild oben ist das sehr schön an der Person im Hintergrund erkennbar, die sich während der Belichtungszeit von 1,6 Sekunden ein Stück bewegt hat und deshalb Bewegungsspuren auf dem Foto hinterlassen hat.

Und weshalb macht es nun einen Unterschied, ob man auf den ersten oder zweiten Vorhang blitzt? In manchen Fällen sollen die Bewegungsspuren dem bewegten Objekt folgen und nicht vorauseilen. Die beiden folgenden Fotos sollen das illustrieren:

Blitzen auf den ersten Vorhang

In diesem Fall wurde auf den ersten Vorhang geblitzt. Der Blitz löste also aus, unmittelbar nach dem der Fahrradfahrer ins Bild gefahren war. Während der restlichen Belichtungszeit von 2 Sekunden sind nur noch das Licht des Scheinwerfers und das rote Rücklicht sichtbar. Allerdings scheinen die Lichtspuren dem Fahrrad voraus zu eilen. Das entspricht nicht unseren Erwartungen.

Beim nächste Bild wurde auf den zweiten Vorhang geblitzt.

Blitzen auf den zweiten Vorhang

Da der Blitz nun erst ausgelöst hat kurz bevor der Fahrradfahrer aus dem Bild gefahren ist, befinden sich die Lichtspuren, so wie gewünscht, hinter dem Fahrrad.

Das kleine Problem dabei: Auslösezeitpunkt, Belichtungszeit und Geschwindigkeit des Fahrradfahrers müssen genau so aufeinander abgestimmt sein, dass der Fahrradfahrer beim Auslösen des Blitzes genau am rechten Bildrand ist. Das lässt sich nur unter sehr genau kontrollierten Bedingungen erreichen. Und trotzdem sehen die meisten Versuche so aus:

Blitzen auf den zweiten Vorhang

Nicht selten sieht man nur die Leuchtspuren und vom Fahrrad ist gar nichts mehr zu sehen … Es waren dann auch diverse Versuche notwendig, um ein brauchbares Bild zu haben. Wer das Blitzen auf den zweiten Vorhang z.B. bei einer Sportveranstaltung ausprobieren möchte, braucht schon sehr viel Glück um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.

Wann immer die Bewegungsrichtung nicht wirklich wichtig ist, sollte man daher den ersten Verschlussvorhang nutzen. Der große Vorteil dabei: Man hat den Zeitpunkt der Blitzauslösung unter Kontrolle und kann so bestimmen, was scharf abgebildet wird. Die Bewegungsspuren bleiben dann zwar mehr oder weniger dem Zufall überlassen, aber die Erfolgsaussichten sind ungleich größer.

Tanzsport

Bei der Aufnahme oben waren die beiden Tänzer am Ende der Belichtungszeit längst aus dem Bildfeld heraus. Beim Blitzen auf den zweiten Vorhang hätte der Blitz nur den leeren Raum vor der Kamera ausgeleuchtet. Da jedoch auf den ersten Vorhang geblitzt wurde, konnte eine schöne Bildkomposition erzielt werden.

Viel Spaß beim Blitzen!