Die nicht mehr ganz so jungen unter uns kennen es noch: das Normalobjektiv mit 50 mm Brennweite. Praktisch alle Fotografen haben mit dem 50er angefangen zu fotografieren, denn es wurde sozusagen standardmäßig mit der ersten Kleinbildkamera ausgeliefert, die man sich gekauft hat. Manche Fotografen, wie etwa Henri Cartier Bresson, haben nie (oder zumindest selten) eine andere Brennweite genutzt. Aber ist es heutzutage noch sinnvoll einsetzbar, wo doch Zoomobjektive die Festbrennweiten weitgehend verdrängt haben?
Was spricht für das 50er?
Allgemein sagt man, dass 50 mm Brennweite an einer Kleinbildkamera etwa dem Sehwinkel unseres Auges entsprechen. Das stimmt allerdings nur bedingt, da wir zwei Augen haben, und unser Sehwinkel in der Breite deutlich größer ist als in der Höhe. Aber es ist richtig, dass wir die Bildwirkung einer Aufnahme, die mit dem Normalobjektiv entstanden ist, als sehr natürlich empfinden. Das kann für oder gegen das Normalobjektiv sprechen, da normal auch schnell langweilig werden kann.
Aber die folgenden Punkte sprechen auf jeden Fall für das 50er:
- Das Preis/Leistungs Verhältnis.
Normalobjektive werden seit vielen Jahren gebaut und sind daher gut durchkonstruiert und bieten eine überzeugende Abbildungsleistung (wenn auch nicht auf dem Niveau moderner Objektive, siehe unten). Außerdem wurden sie früher in sehr großen Stückzahlen gebaut. Daher sind sie im Vergleich zu anderen Objektiven sehr preisgünstig. - Die Anfangsöffnung
Anders als die meisten halbwegs erschwinglichen Zoomobjektive haben die Normalobjektive in der Regel eine sehr hohe Anfangsöffnung. Üblich sind 1,4 und 1,7/1,8. Gegenüber einfachen Zoomobjektiven sind das etwa drei Blendenstufen mehr. Das kann bei wenig Licht den Unterschied zwischen einer brauchbaren und einer unbrauchbaren Aufnahme ausmachen. Wichtiger ist aber vielleicht die extrem geringe Schärfentiefe, die bei offener Blende möglich ist. - Größe und Gewicht
Normalobjektive sind erstaunlich kompakt und leicht. Mehr muss man dazu gar nicht sagen.
Was spricht gegen das 50er?
Wer es gewohnt ist, einfach am Zoomring zu drehen, um einen anderen Bildausschnitt zu wählen, der wird sich mit einer Festbrennweite umgewöhnen müssen. Bewegen ist angesagt. Aber das muss überhaupt kein Nachteil sein, denn ein anderer Aufnahmestandpunkt erzeugt eine andere Perspektive und nicht einfach nur einen anderen Bildausschnitt. Dennoch, man ist ein wenig unflexibel mit nur einer Brennweite.
Wichtiger ist da schon, dass die Normalobjektive seit gefühlt 30 Jahren nicht mehr weiterentwickelt wurden. Das betrifft vor allem die Autofokusfunktion. In der Regel werden keine Ultraschallmotoren eingesetzt und daher ist der Autofokus der Normalobjektive etwas behäbig. Aber mit dem 50er macht man üblicherweise keine Actionfotografie. Auch das letzte Quentchen an Abbildungsleistung fehlt ihnen. Aber sie sind allemal besser, als viele einfache Zoomobjektive.
Anfangsöffnung 1,4 oder 1,8?
Der Unterschied zwischen 1,4 und 1,8 ist eine halbe Blendenstufe. Den Unterschied in der Schärfentiefe sieht man schlicht nicht. Also tut es das 1,8er. Das ist sowohl bei Nikon als auch bei Canon für etwa 100 EUR zu bekommen. Neu, wohlgemerkt!
Für wen ist das Normalobjektiv geeignet?
Zunächst mal für alle, die gerne mit geringer Schärfentiefe arbeiten wollen und dafür nicht Unsummen ausgeben wollen. Für Besitzer von APS-C- oder DX-Kameras ist es zudem die ideale Porträtbrennweite, da es dank des Cropfaktors von 1,6 bzw. 1,5 dem Bildwinkel eines 75 mm Objektivs an einer Vollformatkamera entspricht.
Fazit
Das Normalobjektiv ist zwar aus der Mode gekommen, aber es ist deshalb durchaus nicht unnütz. Hohe Lichtstärke für wenig Geld, wo bekommt man das sonst noch?
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