Das Foto der Saguaro-Kakteen entstand 1987 bei meiner ersten Reise in den Südwesten der USA. Aufgenommen mit einer Rolleiflex 3003. Ich weiß nicht mehr, welches Objektiv ich benutz habe. In meinem Objektivpark gab es damals ein paar Rolleinare und ein Zeiss Objektiv. Also nicht unbedingt das, was man einen Flaschenboden nennt. Der Film war mit großer Wahrscheinlichkeit ein Ektachrome 100 Professional, mein damaliger Lieblingsfilm für Diapositive.
Renaissance des Films
Die Produktion dieses Film wurde vor Jahren eingestellt. Aber inzwischen wird der Ektachrome 100 Professional wieder hergestellt und ist im Handel erhältlich. Das passt zusammen mit der Renaissance der Analogfotografie, die gerade im Gange ist. So wie ja auch Vinylschallplatten bei Liebhabern wieder ganz hoch im Kurs stehen.
Woher kommt diese Rückbesinnung auf die Technik des vergangenen Jahrhunderts? Ist es einfach Nostalgie oder das Gefühl, das früher alles besser war? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es ganz bestimmt nicht die überlegene technische Qualität der Analogfotografie sein kann. Denn die existiert nicht mehr.
Vor ein paar Jahren haben wir einen (kleinen) Teil unserer Dias professionell und in hoher Auflösung und Farbtiefe scannen lassen. Auch das Foto der Saguaro-Kakteen. Als wir die Bilder dann das erste Mal nicht in der Projektion sondern am Bildschirm gesehen haben, waren wir einigermaßen entsetzt. In der 100 Prozent Ansicht offenbarte sich ein Qualitätsunterschied selbst zu unseren ältesten Digitalfotos, den wir so einfach nicht erwartet hatten. Hier einmal eine 100% Ansicht aus dem Foto oben:
Damit haben wir uns damals zufrieden gegeben? Ja, natürlich. Wir kannten es ja nicht besser. Und selbst, wenn wir annehmen, dass durch den Scanvorgang ein Qualitätsverlust eintritt: Ein Digitalfoto mit dieser umwerfenden Kantenschärfe und Auflösung würden wir wohl sofort in den virtuellen Mülleimer befördern. Und Kamera nebst Objektiv würden wir postwendend vom Hersteller überprüfen lassen. So sehr haben wir uns an die im Vergleich zur analogen Kleinbildfotografie überragende Qualität gewöhnt.
Warum also zurück zu Film?
Für mich kann ich die Frage nur so beantworten: Ich habe keine Ahnung, warum ich zu Film zurückkehren sollte. Aus meiner Sicht gibt es nur Nachteile. Die schlechte Bildqualität ist nur einer davon. Die Beschränkung auf nur 36 Aufnahmen ist ein weiterer. Und natürlich die hohen Kosten.
Zum Thema Kosten habe ich gerade irgenwo gelesen, dass die Digitalfotografie so viel teurer ist als Analog, weil die Kameras und Objektive so teuer sind im Vergleich zu (gebrauchten) Analogkameras. Wenn ich jemals eine Milchmädchenrechnung gesehen habe, dann diese. Ich habe früher immer in „Ektachrome-Einheiten“ gerechnet. Eine Ektachrome-Einheit setzt sich zusammen aus dem Preis des Films (damals ca. 5 EUR) und den Entwicklungskosten (ca. 2 EUR), also zusammen 7 EUR. Selbst wenn man im Jahr nur 100 Filme verbraucht hätte (bei besagter USA Reise 1987 hatte ich ca. 60 Filme dabei…) kamen also 700,– EUR zusammen. Ich hätte mir also ohne die Filmkosten alle zwei bis drei Jahre eine schnuckelige neue Kamera leisten können. Selbst inflationsbereinigt ist Analog immer noch ziemlich teuer. Ach ja, mit 100 Filmen im Jahr bin ich natürlich nie hingekommen.
Warum erlebt Film dann so eine Renaissance? Ich kann mir nur vorstellen, dass die meisten Neu-Analogies einfach nur anders sein wollen. Wenn alle Welt digital fotografiert, dann kann man sich nur von der Masse absetzen, wenn man Film benutzt. Denn die Beschränkung auf nur 36 Aufnahmen führt automatisch zu höherer gestalterischer Qualität. Und dann ist da natürlich noch der Look. Film ist einfach nicht so gnadenlos clean und technisch wie digital. Viel lebendiger und wertiger eben!
Ok, Zynismusmodus aus!
Ich höre auch keine Schallplatten mehr
Als ich die ersten digital gemasterten CDs gehört habe (das war auch in den 80ern), war mir klar, dass ich in Zukunft keine Schallplatten mehr kaufen würde. Kein Knacken, kein Knistern, kein Rauschen. Musik fast wie im Konzertsaal. Und während ich hier so sitze und diesen Blog schreibe, höre ich gerade Beethovens achte Sinfonie. Als mp3. Sakrileg mag da manch einer sagen. Aber meine mehr als 60 Jahre alten Ohren können die Feinheiten eh nicht mehr so richtig wahrnehmen. Aber meine Augen sehen den Unterschied zwischen einem 30 Jahre alten Dia und einem Digitalfoto immer noch sehr deutlich.
Ich hoffe, das war jetzt so kontrovers, dass ihr ein paar Kommentare hinterlasst!
Hallo Rainer und Simone, wenn ich dran denke, wie viele Stunden ich noch im Jahr 2000 bei Ihr Platz gesessen habe, um die „gelungenen“ Fotos aus der Fülle von – m.E. nicht „abzugswürdigen“ Fotos auszusortieren, damit ich nicht alle auch nicht gelungenen Abzüge unserer ersten Australienreise bezahlen muss, dann sind mir die tausende von Dateien aus der NZ-Reise 14 Jahre später doch lieber! Und was ich dadurch gelernt habe, ist der Umgang mit „beliebig viel“ Speicherplatz: auch bei digitalen Fotos macht es Sinn, gezielt zu fotografieren und die Bildgestaltung zu nutzen, um wirklich gute Fotos zu machen (und Zeit beim Import und der Bearbeitung zu sparen)! Und ggf. kann man ja auch analoge Anmutung noch per Mausklick hinzufügen – wenn man unbedingt will. Und was m.E. auch der Vorteil von digital ist: ich kann die Bearbeitung so steuern, wie ich (!) es will – unabhängig vom Labor, auf das ich keinen Einfluss habe. Selbst wenn ich immer noch ein „SW-Labor“ zu hause habe, da benutzungsfähig wäre – aber der Aufwand ist doch unendlich viel größer! Und digital ist für mich durch die Bildbearbeitungsmöglichkeiten unendlich viel kreativer.
Also: digital hat auch für mich reichlich Vorteile – Nostalgie hin oder her!
Liebe Grüße aus der schönen Eifel von Renate
Moin Renate,
schön, dass Du hier vorbei geschaut hast.
Ich sehe das genauso. Auch wenn ich immer noch nachvollziehen kann, dass es faszinierend ist, dem Bild im Entwickler bei der Entstehung zuzuschauen. Aber für mich gibt es kein zurück mehr. Das Bessere ist des Guten Feind.
Was ich gar nicht nachvollziehen kann, ist die hybride Arbeitsweise, also auf Film fotografieren und die Negative scannen lassen, damit man sie am Rechner weiterbearbeiten kann. Das ist hochgradig umständlich und vor allem völlig inkonsequent. Wenn schon analog, dann selbst entwickeln und selbst vergrößern. Dann hat man den Prozess komplett in der Hand.
Aber nun ja, jedem das Seine ;-)
Beste Grüße aus dem platten Norden in die schöne Eifel!
Rainer
Hallo Rainer,
Vorausgeschickt sei, dass ich sowohl digital als auch analog fotografiere, aber eben nicht als Profi.
Ein Punkt, warum ich noch analog fotografiere ist, dass ich Spaß an der alten Technik habe und mit Kameras, die älter sind als ich selbst, immer noch ansehnliche Bilder machen kann. Ein zweiter Punkt ist, dass ich mir Kameras und Objektive kaufen und damit fotografieren kann, die ich mir früher niemals hätte leisten können. Aber da geht es mehr um das Tun und nicht vorrangig um das Ergebnis.
Aber Qualität, Kosten und Tempo sprechen eindeutig für digital.
Gruß
Udo Bauer
Hallo Udo,
das kann ich durchaus nachvollziehen. Wenn man einfach Spaß an der Technik und an dem Erlebnis hat, ist das natürlich völlig in Ordnung. Mir geht es aber primär um das Endergebnis und nicht um den Weg dahin. Und wie ich oben schon geschrieben habe, bisweilen vermisse ich das Erlebnis, den Bildern im Entwickler beim Entstehen zuzusehen.
Grüße aus dem Norden
Rainer